Prostitution in Schleswig Holstein, ein vielschichtiges Thema


Prostitution ist ein Thema, das polarisiert. Für einige ein Tabu-Thema, während andere sie als eine ganz normale Arbeit betrachten und für einen notwendigen Bestandteil unserer Gesellschaft. Auch bei uns in Schleswig-Holstein ist Prostitution ein Wirtschaftszweig, der von vielen Menschen ausgeübt wird.

Die kontroverse Debatte um Prostitution

Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die sagen, dass Prostitution heute ein selbstbestimmter Job ist, der von vielen Frauen und Männern freiwillig und gerne ausgeübt wird. Ihr Argument: solange es zwischen den Beteiligten auf gegenseitigem Einverständnis beruht, gibt es nichts Verwerfliches daran. Sexarbeit ist ganz einfach ein Mittel, um ein Einkommen zu erwirtschaften, so wie jede andere Arbeit auch. 

Prostitution als selbstbestimmter Job

Unser Blick auf Prostitution ist geprägt durch Krimis im TV. Da werden insbesondere Frauen gezwungen, in der Sexindustrie zu arbeiten. Dass es viele gibt, die nicht gezwungen werden, ist für viele neu und auch schwer verständlich. 

Die dunklen Seiten der Prostitution

Referentin Christina Wacker ist Sozialpädagogin und arbeitet in der Beratungsstelle für Prostituierte cara*sh.

Beim Vortrag beantwortet sie alle Fragen, die wir schon immer mal über Prostitution stellen wollten, wie diese hier:

„Bietet man sich wirklich freiwillig an?“

„Ist die Not so groß, dass man seinen Körper verkaufen muss?“

„Wie gehen Kinder damit um, wenn ihre Mutter eine Prostituierte ist?“

„Gibt es in jedem Alter Kunden?“

„Wo beginnt Prostitution?“

„Prostitution, was ist das eigentlich genau?“

Der Vortrag von Christina Wacker: Eindrücke aus erster Hand

Mit diesem Vortrag bietet sich die einmalige  Gelegenheit, Einschätzungen und Erfahrungen aus erster Hand zu hören. 

Vorab sei verraten, dass es viele Bilder und auch lustige Geschichten gibt!

Nutzt die Gelegenheit, Christina Wacker all die Fragen zu stellen, die ihr schon immer über Prostitution in Schleswig Holstein stellen wolltet!

Christina Wacker freut sich darauf.

So war der Abend

Mehr als 50 Personen lauschten mucksmäuschenstill und fasziniert, was Christina Wacker aus ihrem spannenden Alltag als Sozialarbeiterin in der Prostituiertenberatung zu erzählen hatte. Eindrücke aus erster Hand, sympathisch und etwas ganz Besonderes! Christina Wacker konnte aus Zeitgründen nicht alle Fragen beantworten, wir liefern die Antworten hier nach:

Werden sexuelle Dienstleistungen in Behinderten-Einrichtungen privat bezahlt oder über Kostenträger?

Die Kosten werden i.d.R. nicht übernommen, sondern müssen privat gezahlt werden.

Auf der Seite https://sexualbegleitung.berlin/ steht dazu:

Grundsätzlich werden die Kosten für eine Sexualbegleitung durch die Krankenkasse nicht übernommen und sind auch kein Bestandteil der Grund- oder Behandlungspflege, so das Gesundheitsministerium.

Doch es gibt immer wieder Ausnahmen: In einigen Kommunen Deutschlands werden Zuschüsse zur Sexualbegleitung gewährt, so Angaben von pro familia in ihrer Expertise zur sexuellen Assistenz für Frauen und Männer mit Behinderungen.

Angehörige und Pfleger sind oft mit dem Wunsch des Betroffenen nach Intimität überfordert. Auch wenn ärztlicher und psychologischer Beistand vorhanden ist, müssen die Betroffenen in der Regel beweisen, dass ihre Behinderung die Ursache dafür ist, dass sie ihre sexuellen Bedürfnisse nicht erfüllen können.

Es ist ein langer, sehr bürokratischer Weg, eine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Und es gibt keine Garantie auf Erfolg. Ergo entscheiden sich die meisten, die Kosten selbst zu tragen.

Wie hoch ist der Anteil durchschnittlich von Männern und Frauen in der Sexarbeit; auch Relationen Hetero/Homo?

Dazu gibt es leider keine (erst Recht keine bundesweiten) Zahlen. Bei uns in der Beratung waren im vergangenen Jahr 88% Frauen, 10% Transpersonen und 2% Männer. Dadurch, dass wir nicht immer längerfristig mit den Menschen zu tun haben, kommt es meist nicht dazu, dass wir mit ihnen über sensible Themen wie ihre sexuelle Orientierung sprechen. Durch einen Besuch beim Basis-Projekt in Hamburg, die „Jungs/ Stricher“ beraten, wissen wir, dass es sehr üblich ist, dass junge Männer dort in der Schwulen-Paysex-Szene arbeiten, die tatsächlich aber gar nicht homosexuell sind. Das macht diese Frage also noch schwieriger zu beantworten.

Gibt es ein Budget für Dolmetscher*innen?

Ja, von dem Geld, was wir jährlich vom Sozialministerium SH erhalten, ist immer ein Anteil zweckgebunden für Honorare für Dolmetscher*innen oder Dolmetschdienste.

Habt ihr Probleme mit Zuhältern oder kommt es gar nicht zu direkten Begegnungen?

Es kommt kaum zu Begegnungen. Manchmal halten sich zB in den Küchen der Wohnungen, die wir besuchen, auch Männer auf, von denen wir nicht wissen, welche Rolle sie haben. Das können aber auch zB Partner von Sexarbeitenden sein.

Generell ist unser Eindruck eher, dass – wenn es „Zuhälter“ o.ä. gibt – diese nicht vor Ort sind. Meist kommt 1-2x pro Woche jemand vorbei, um Geld abzuholen. Ansonsten wird eher „aus dem Off“ beobachtet und mitgehört. Es gibt eigentlich überall Kamerasysteme und Abhörgeräte (offiziell zum Schutz der Sexarbeitenden), die aber leider häufig zu Kontroll- und Überwachungszwecken eingesetzt werden.

Ist es euer Ziel, Prostitution zu beenden?
  • Nein, im Gegenteil. Wir setzen uns für mehr Rechte und die Entstigmatisierung von Sexarbeiter*innen ein.
Wie kommt man dazu, eine Wohnung als Prostitutionsstätte zu vermieten?

Wir konzentrieren uns auf den Kontakt zu Sexarbeiter*innen, daher habe ich noch nicht häufig Gespräche mit Betreiber*innen geführt. Schon gar nicht darüber, wie er oder sie auf die Idee kam, eine Wohnung für die Ausübung der Prostitution zu vermieten.

Da aber wöchentliche Zimmermieten von 500 EUR und mehr üblich sind, bin ich mir sicher, dass hier wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.

„Liebe Mitglieder und Freunde des Vereins Open Dör,

Vielen Dank für euer Kommen am 17.11. und euer Interesse und eure spannenden Fragen! Es hat mir großen Spaß gemacht, vor und mit euch zu sprechen ☺.

Wenn ihr uns einen GROßEN GEFALLEN tun wollt, könnt ihr gerne an unseren Förderverein etwas spenden, mit dem Vermerk „für die aufsuchende Arbeit von cara“. Alle Infos findet ihr hier:

https://contra-sh.de/fr/unterstuetzen-sie-uns/foerderverein-contra-ev

Ihr könnt auch Mitglied werden 😉   Nicht wundern, da steht contra, aber die Spenden an den Förderverein kommen durch euren Vermerk auch cara*SH zugute.

Meine Bitte hat damit zu tun, dass wir – wie viele andere soziale Einrichtungen auch – ab 2024 mit Haushaltskürzungen zu kämpfen haben. So werden wir nicht mehr in der Lage sein, unsere Kleinartikel (wie zB Kondome), die wir in der aufsuchenden Arbeit an unsere Klient*innen verteilen, zu kaufen.

Wir müssen uns also schonmal daran gewöhnen, immer mehr auf Spendengelder angewiesen zu sein, damit wir nicht mit leeren Händen an die Türen klopfen müssen.

Ein GROßES DANKESCHÖN an alle, die uns unterstützen möchten!

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Falls ihr noch weitere Interessierte kennt: am 21.03.24 um 19.30 Uhr im Bürgerhaus in Mohrkirch halte ich einen ähnlichen Vortrag! Ich würde mich – falls euch der Abend gefallen hat – über eure Weiterempfehlung der Veranstaltung sehr freuen.

Ich wünsche euch eine gemütliche Vorweihnachtszeit!

Liebe Grüße aus Kiel in mein Heimat- und Herzensdorf <3

Eure Christina

Christina Wacker

Sozialpädagogin, 32

Aufgewachsen in Norderbrarup.
Sie arbeitet bei bei der Beratungsstelle cara*sh (Nordkirche) in Neumünster.

 

Übersicht

Freitag, 17. November 2023

19:30 Uhr, Norderbrarup

Ort: Gasthof Norderbrarup

Eintritt frei. Wir bitten um eine Spende.